Direkt zum Hauptbereich

Damn Gurl!

Man sagt, ein Kind ist wie ein Schwamm. Es saugt alles aus seiner Umgebung auf und kann es wiedergeben. Das kann ich unterschreiben. Mein Kind scheint ein besonders saugfähiges Exemplar zu sein. Sie ist knapp 26 Monate alt und kann ihre Bücher auswendig. Alle. Sie hat gut über 50 Stück und zahlreiche Pixibücher dazu. Unter denen keinesfalls nur klassische Babyliteratur wie Moritz Moppelpo oder Leo Lausemaus (Protagonisten müssen, so scheint's, Alliterationsnamen haben), sondern auch Peter Hase oder Oh wie schön ist Panama! Eigentlich braucht sie uns als Elternteile gar nicht, um die Bücher zu "lesen", sie liest sie sich teilweise selbst vor. Ein bisschen freaky ist das ja schon... Manchmal läuft sie herum, sagen wir, auf dem Spielplatz und rezitiert eine Seite aus einem Janosch Buch - komplett, Wort für Wort. Lieder, Reime und sonstige oft wiederholte Sprüche kann sie aus dem ff. Gestern zeigte L. völlig unvermittelt, während wir ein Buch gelesen haben, auf ein Radio und sagte: "Da is sie, die Radioantenne!" Und ich war platt. Nie im Leben hat jemand ihr das Wort Radioantenne beigebracht. Komposita sind eh ihr Ding... Löffelbagger, Betonmischer, Güterzug, she knows it all. Das Kind ist krass.

Baby got books





Ich kann nun verstehen, warum manche Eltern ihre Kleinkinder zum Mandarin-Unterricht anmelden. Weil sie es können und es sicherlich nie wieder so leicht für Kinder wird, riesige Mengen an Vokabeln und Grammatik zu erlernen und zu behalten. Spaßeshalber haben der Mann und ich auch kurzzeitig überlegt, ihr ein Lied über das Periodensystem der Elemente beizubringen, so á la: "H steht für Wasserstoff, B steht für Bor, Cs steht für Caesium , Xe kommt davor!" Wahlweise könnte ich ihr auch die Ablautreihen des Mittelhochdeutschen näherbringen, sodass sie im Kindergarten dann Wortherkünfte etymologisch erläutern kann: zihen, zihe, zech, zigen, gezigen. Riten, rite, reit, riten, geriten usw. Das wäre allerdings relativ sinnfrei. Wäre ich Englisch Nativespeaker, würde sich die Frage natürlich gar nicht stellen, aber ich finde es immer unfassbar affig, wenn offensichtlich deutsche Mütter auf grottigem Englisch mit ihren Kindern parlieren: "Duu juu wont se Eiscriim or no?" - "No senkyuu!"
Manchmal merkt sich L. jedoch auch Dinge, die ich jetzt nicht so prall finde. Neulich kam der Mann vom Einkaufen und brachte Zutaten für einen Datteldip mit. Meine spontane Reaktion, während mir das Wasser im Mund zusammenlief, war: "Datteldip - geil!" "Datteldip - geil" wird heute noch gerne von L. angeführt.
Gestern erwiderte ich auf die Frage, was so ging, gedankenverloren "Nichts, es pisst", um die Wetterlage zu beschreiben. Wer schnappt es sofort auf? Mein Kind natürlich.
Kürzlich waren wir auf dem Weg zum Schwimmbad. Das Autoradio lief und ein Klassiker meiner späteren Jugend kam ganz unvermittelt. Beschwingt an zahlreiche Clubnächte denkend, wurde laut aufgedreht und gesungen "Sexy Chick" von Akon und Guetta. Ich zitiere den Refrain: "Damn you's a sexy chick - damn gurl!" Drei mal dürft ihr raten! "Damn gurl!" ist ihr neuer Lieblingsspruch.

Man muss echt aufpassen, was man sagt, denn wie ein Supercomputer speichert sie alles ab, was je gesagt wurde. Mein Schimpfwortgebrauch hat sich daher minimiert. In den Genuss meiner kruden Sprache kommen nur noch Sie, verehrte Damen und Herren Blogleser.

Rezept für Datteldip:
200g getr. Datteln, entsteint
200g Frischkäse
200g Schmand
1 Bund Frühlingszwiebeln
Zitronensaft, Salz, Pfeffer
alles kleinschneiden und verrühren. Mit Baguette essen..
damn, gurl!

Kommentare

  1. Haha, wie süss! Das ändert sich aber nicht so schnell, meine Grundschulkinder hören auch immer alles, was sie nicht hören sollen... ich kann dir übrigens "Petterson & Findus" sehr empfehlen, falls dein Kind neuen Auswendiglernstoff braucht, die habe ich als Kind geliebt und noch heute freue ich mich wahnsinnig darauf, wenn ich mal ein Kind habe, dass ich die alle nochmal kaufen und selberlesen kann =)

    Love, Héloise
    Et Omnia Vanitas

    AntwortenLöschen
  2. Ich finde es selbst auch so affig, wenn eindeutig Deutsche Mütter gezwungen auf Englisch mit ihren Kindern reden, wenn sie es nicht wirklich können. Hätte ich aber ein so wissbegieriges Kind würde ich sicherlich überlegen es in die Richtung zu leiten eine weitere Sprache zu lernen. Vielleicht nicht Englisch, da man das ja safe in der Schule lernt, aber meine Cousinen haben beide schon im Kindergarten französisch gelernt und sind später auf eine Deutsch-Französische Schule gegangen :)
    Liebst,
    Farina

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Freudlosen, Hobbylosen und Hirnlosen

Ich bemerke erstaunt, dass ich mich immer mehr zum Serdar Somuncu der Muddi-blogs entwickle. Man könnte sagen, the rage is too damn high. Es gibt so viele Sachen, die mich aufregen, ein Wunder, dass ich noch keinen Bluthochdruck habe. Eine neue Episode aus meinem Leben hört sich an wie ein Witz: Treffen ein Arzt, ein Anwalt und eine Mutter aufeinander. Leider folgt dann kein Witz, sondern eine Episode, die vor Sinnlosigkeit trieft. Aber von vorne. Wie erwähnt, habe ich keine normalen Nachbarn, sondern wohne in einem Haus ganz oben, in dem ansonsten nur Praxen sind. Unten ein Physio, in der Mitte ein Anwalt, oben ein Arzt. Dann ich. Die nachbarschaftlichen Beziehungen waren geprägt von freundlichem Nicken und Grüßen. Alles gut, keine Probleme. Doch eines Tages geschah etwas, das das sensible Konstrukt der Nachbarschaftsbeziehungen ins Wanken brachte. Ein Stein des Anstoßes, der das Fass derartig schnell zum Überlaufen brachte, dass es eine Springflut gab. Ein unerhörtes Ereignis, das

A desperate housewife's anthem

Es sieht aus wie Bombe. Krümel beherrschen das Bild in der Küche und um den Esstisch herum. Man könnte meinen, jemand hätte wie Hänsel und Gretel eine Brotkrumenspur gelegt, um nach Hause zu finden. Taschentücher liegen wie pittoreske Schneeflöckchen verstreut in der Wohnung. Doch hier wohnen keine pubertierenden Teenager Jungs. Die Grippewelle hat zugeschlagen. Im Bad erhebt sich der Mount Rushmore der Dreckwäsche; ein jedes Wäschestück blickt mahnend auf den Verursacher bzw. Beseitiger der Schmutzwäsche. Kieselsteine in allen Größen und Variationen ergießen sich regelmäßig auf den Parkettboden und garnieren sprenklerisch Eingangsbereich und Flur, wenn Kinderschuhe ausgezogen werden. Kratzer im Parkett gibt's durch nicht zeitgerechte Beseitigung inklusive. der aufgeräumte Zustand ;) Unter den Betten und Sofas wohnen ganze Wollmaus-Kolonien; alle horizontalen Flächen weisen eine charmant-silbrig glitzernde Schicht auf. Die bodentiefen Fenster/Balkontüren, die der