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Da sitz' ich nun, ich armer Tor...

und bereite mal wieder Unterricht vor.

SPOILER: Dies ist ein weiter Post aus der Reihe Jammern auf mittlerem Niveau.


Unterricht vorbereiten also. Stoffverteilungspläne erstellen, Material suchen usw. Es ist komisch. So ungewohnt, fast fremdartig. Das erste Mal seit guten 2 1/2 Jahren sitze ich wieder am PC, um Unterricht vorzubereiten. Ich weiß bereits, welche Klassen ich bekommen werde...Yay!! nur Mittelstufe, um genau zu sein, 2x 8. Klasse in Englisch, außerdem eine 8. und eine 9. Klasse in Deutsch. Pubertät galore also. Dazu noch eine 5. Klasse in Deutsch als Intensivierungsstunde. Somit 17 Wochenstunden Unterricht insgesamt.

Einem Referendar dürfen ja (in Bayern) zwischen 11-17 WS zugeteilt werden und - guess what - natürlich schöpfen die Schulen dieses Kontingent voll aus. In anderen Bundesländern sind es 12 WS maximal. Ursprünglich stammt die Regelung, Referendaren ganze 17 Stunden zuteilen zu können aus Zeiten, als massiver Lehrermangel bestand und der Unterrichtsausfall irgendwie eingedämmt und abgefedert werden musste. Heutzutage allerdings, in Zeiten des Gymnasiallehrerüberschusses, ist diese Regelung nicht nur obsolet, sondern für die Stellensituation der bayerischen Gymnasiallehrer sogar verheerend! Die Referendare werden für so viel Unterricht wie möglich eingesetzt, da jede Stunde mehr, die von einem Refi gehalten wird, bares Geld einspart. Ist ja klar, einem Anwärter in der Ausbildung muss man deutlich weniger bezahlen als - sagen wir - einer verbeamteten Lehrkraft beispielsweise. Da es am Gymnasium (und der Realschule) in Bayern keinen Lehrermangel gibt, strömen Jahr für Jahr abertausende Lehramtsanwärter auf den Arbeitsmarkt. Daher ist es nicht notwendig für den bayerischen Staat, neue Beamtenstellen zu schaffen, sind doch die Refis stets verfügbar und deutlich günstiger. So ergibt sich die Situation, dass die aktuellen Referendare den ehemaligen Referendaren die Stellen "wegnehmen", einfach nur dadurch, dass sie ihr Referendariat überhaupt antreten. Skurril, oder? Ein NC auf das Studium für das Gymnasiallehramt würde den Output der Universitäten an Lehramtsanwärtern sicherlich eindämmen, sodass evtl. vernünftige Lehrerbedarfsprognosen erstellt werden könnten und mehr Stellen geschaffen werden könnten.

Derzeit ist es mit den Fächern D/E (und den meisten anderen Sprachen/Geisteswissenschaften) zumindest so, dass im September 2017 am Gymnasium oder FOS/BOS nur Anwärter mit einer Grenznote von 1,49 eingestellt wurden. Teilweise nach Warteliste, tw. mit Bonus oder auch eben nicht am Gymnasium, sondern an den Fachoberschulen. Diese Grenzwerte erfährt man anhand diverser Facebook-Gruppen, in denen mehr oder minder verzweifelte Gymnasiallehramtsanwärter versuchen herauszufinden, ob sie eine Chance auf Verbeamtung haben, indem abgeglichen wird, wer nach wie langer Zeit auf der Warteliste, mit welchem Bonus und mit welchem Schnitt letztendlich vielleicht doch noch verbeamtet wurde. Auf dieser ominösen Warteliste steht jeder Lehrer mit 2. StEx, der nicht sofort vom Fleck weg verbeamtet wurde (also die deutliche Mehrheit der Absolventen). Darauf steht man 4 (?) Jahre. Wurde man binnen dieser Zeit nicht verbeamtet, ist man raus aus dem game. Rosige Aussichten also. Sollte ich (utopischerweise) alle Prüfungen mit Note 1 abschließen, bekomme ich mit meinen Fächern in Bayern am Gymnasium also trotzdem keine Planstelle. Klingt fair, oder? Man studiert 5 Jahre, das Hauptstudium auf Master-Niveau, legt 2 Staatsexamina ab, arbeitet 2 Jahre als Referendar für lau und kann sich dann mit befristeten Verträgen herumschlagen. So geht Bildungspolitik!

Nicht umsonst migrieren bayerische Lehrer in andere Bundesländer und wechseln die Schularten, was den Verdienst leider meist negativ beeinflusst. Zudem muss man sich oft aufwändig nachqualifizieren, wenn man z.B. an Mittelschulen unterrichten will. Will auch nicht jeder. Die Stoffvermittlung und die Klientel ist ja schon deutlich anders als am Gymnasium. Aber wieso sollte das Kultusministerium auch etwas ändern, wenn es doch alles so super läuft! Schön die Jahresverträge für Gymnasiallehrer raushauen, die teilweise nur bis zum 30.07. laufen. Sollen sie sich doch arbeitslos melden für 6 Wochen Sommerferien, die Lehrer! Vielleicht reicht's ja auch im nächsten Schuljahr für 'ne Aushilfsstelle oder Schwangerschaftsvertretung!
An den bayerischen Grundschulen und Mittelschulen hingegen zeichnet sich ein komplett konträres Bild ab: akuter Lehrermangel besteht (auch aufgrund von Flüchtlingen, die beschult werden müssen) und die Nachwuchs-GS-Lehrer fehlen. Mal wieder 'ne Lehrerbedarfsprognose versemmelt, Herr Spaenle?! Nicht nur bekommt also jede GS-Lehrerin (sind ja fast nur Frauen) eine Stelle, wenn sie besser als ausreichend (!) (https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/grundschule.html) abgeschlossen hat, nein, auch Pensionäre werden an die Pulte zurückbeordert und fachfremde "Lehrkörper" eingesetzt. Klassen werden zusammengelegt, und die GS-Lehrer dürfen dann mal eben 40 Kinder gleichzeitig unterrichten. Verschiedener Altersstufen und Leistungsniveaus. Easy peasy! Oder aber, der Unterricht fällt aus. Wochenlang. Läuft, in Bayern.

Naja. Und so sitze ich hier wieder und bereite mich vor. Nächste Woche Dienstag beginnt der Unterricht. Ich freue mich auf das Unterrichten. Aber die Begleitumstände verbunden mit der Perspektivlosigkeit dämmen die Motivation doch leicht ein, möchte man sagen. Ich will einfach nur noch abschließen. Im Prinzip reißt man sich den A*** auf, um dann in prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu wechseln. Oder man zeigt sich räumlich flexibel, bricht alle Zelte ab und haut ab aus dem gelobten Land der Bildungspolitik. Mag sein, dass Schüler und Studenten in Bayern eine gute Ausbildung bekommen. Gute Stellen mit unbefristeten Verträgen, angemessener Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten jedoch weniger. Zumindest bei den Gymnasiallehrern. Dann werden 'se halt doch alle Taxifahrer. So funny! Not.

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